Diskurse

CURATING CHAOS

(c) Chris Kondek, 2021

Evolutions of decentralised curatorial practices

[Annahme: Curating =  Chaos: nicht-lineare, dynamische Systeme, die zu unvorhersehbaren Ereignissen führen]

Was bedeutet „kuratieren“ heute? Mit einem konzeptuellen Blick auf die Chaosforschung, ein Teilgebiet der Mathematik und Physik, untersuchen wir in diesem Diskurs die Praxis des Kuratierens als nicht-lineares, chaotisches und dynamisches System endloser Möglichkeiten. Dabei wird das Chaos als experimenteller Raum begrüßt, um durch mehrdimensionale Einbeziehung multipler Referenzpunkte und diverser Wissenssysteme zwischen Nord und Süd, die geopolitische Grenzen, Privilegien und Asymmetrien in der Zusammenarbeit herauszufordern und die Praktik des Kuratierens zu dezentralisieren. 

Das Residency Programms des ZK/U Berlin entwickelt öffentliche Formate prozessorientiert und ist dem konventionellen Verständnis des top-down Kuratierens entgegensetzt: Nicht eine Einzelperson entscheidet in einem hierarchischen Verhältnis über die Zusammenstellung einer Ausstellung. Vielmehr sind es kollektive Abstimmungsprozesse, die ganz unterschiedliche Präsentationsformate entstehen lassen und so das Kuratieren als nicht-hierarchisches, selbstorganisiertes, gemeinschaftliches bottom-up Projekt austesten. Die Grenzen zwischen künstlerischer und kuratorischer Praxis verschwimmen. Wie können kollektive und lebendige Praktiken des Kuratierens weiterentwickelt werden, um transformative Bewegungen in Gang zu setzen, die Disziplinen, Grenzen und Normen überwinden?  

  • PRACTICES & PERSPECTIVES:
    Wer arbeitet in transkulturellen Ausstellungsprojekten zusammen und wie können kuratorische Entscheidungsprozesse dezentralisiert werden? Wie können Kulturschaffende durch die Verwebung von verschiedenen Disziplinen aber auch durch das Ineinandergreifen von Perspektiven zwischen Nord und Süd neuartige, „hybride“ und „queere“ Praktiken entstehen lassen, die den Zwischenraum des transkulturellen Austauschs und der Begegnung formen?  Welche Rolle spielen migrierte Perspektiven der Diaspora-Communities in Deutschland für die Überwindung eines eurozentristischen Blickwinkels und welchen Gegennarrativen und kritischen Stimmen können in kuratorischen Entscheidungen besonders Gehör verschafft werden? 
     
  • SPACES & CRISIS:
    Wie verändert sich das Verhältnis zum urbanen Raum, wenn aufgrund von Krisen das soziale und kulturelle Leben in der Stadt beinahe still steht? Welche veränderte Rolle spielt der virtuelle öffentlichen Raum für das Zugänglichmachen des Austauschs für alle? Wenn Kuratieren heißt, zusammenzukommen, gesellschaftliche Grenzen zu überwinden und Räume der Debatte und der Begegnung zu schaffen, wie verändert sich die Rolle von Kulturschaffenden in Zeiten des social-distancing und wie kann sie neu gedacht werden? Welche neuen, kreativen Tools und Technologien des Kuratierens können noch geschaffen werden, wenn der reelle öffentliche Raum kurz- oder langfristig nicht zugänglich ist? 
     
  • DECOLONIALITIES & TRACES:
    Wie können Kulturschaffende und Kurator*innen auf den problematischen Verbleib kolonialer Spuren im öffentlichen Raum aber auch in der Gesellschaft und den Institutionen in Deutschland antworten? Welche alternativen Denkmäler könnten geschaffen werden und welche Rolle können Künstler*innen hierbei spielen? Wie kann eine zeitgenössische dekoloniale kuratorische Praxis aussehen?